Mit
neuem Flitzefinger zurück zu altem Drive
Ten Years After mit Joe Gooch unterwegs /
2006 neue DVD / Interview mit Leo Lyons
von Alois Braun / November 2005
Totgesagte leben länger. Und wer hätte
nach dem Abgang von Alvin Lee noch einen Pfifferling auf die Zukunft von
Ten Years After gegeben? Kaum einer konnte glauben, dass die Band ohne
Flitzefinger Lee funktioniert? Besucher von Konzerten mit dem neuen
Gitarristen Joe Gooch sind nicht nur begeistert, sondern wissen auch,
warum Ten Years After wieder so erfolgreich sind: Früher war es schlicht
und einfach „Alvin Lee and Backing Band“ – heute ist es ein
gleichberechtiges Quartett, das offenbart, dass Leo Lyons (Baß), Ric Lee
(Drums) und Chick Churchill (Keyboards) in der Vergangenheit sträflich
unterbewertet waren und mehr zum Sound und Erfolg der Band beitrugen, als
man wahrhaben wollte. Alois Braun sprach mit Leo Lyons über seine
Soloprojekte und die Geschichte der Band.
ACB: Guten Morgen…Du bist gerade
in Nashville. Mit der Stadt assoziiert man automatisch Countrymusik.
Arbeitest Du etwa an einer Countryversion von „Choo Choo Mama“?
LEO LYONS: (lacht) Nein, aber
das wäre eine interessante Idee. Der Grund, dass ich hier bin, ist aber
ein anderer: ich arbeite seit neun Jahren in Nashville als Songwriter und
Produzent, gehöre zur Crew eines Countrymusikverlages. Und ich lebe seit
sieben Jahren hier. Allerdings habe ich in den letzten drei Jahren nicht
mehr so viel gemacht, weil wir fast ständig mit Ten Years After auf Tour
sind.
ACB: Viele dachten Ten Years After
ohne Alvin Lee kann niemals Ten Years After sein. Mit Joe Gooch habt ihr
aber einen Mann gefunden, der perfekt zu Euch passt und die Band zu neuen
Höhenflügen führt. Wann habt ihr realisiert, dass Joe ein Glücksgriff
für die Band ist?
LEO LYONS: Nun, seitdem die Band
1975 auseinander brach gab es ja immer nur kurze Wiedervereinigungen mit
Alvin. Trotzdem brauchten wir 20, 25 Jahre, um zu entscheiden, einen
anderen Gitarristen zu suchen. Du hast recht, ich dachte auch nicht, dass
TYA in einer anderen Besetzung funktioniert. Aber die Fans fragten ständig
nach der Band, weshalb wir etwas tun mussten. Und nun sind wir schon drei
Jahre mit Joe unterwegs und ich frage mich, warum wir es nicht eher
gemacht haben…
ACB: Und wie habt Ihr ihn gefunden?
LEO LYONS: Das ist eigentlich
eine lustige Geschichte. Ein Bluesgitarrist aus Nashville wollte vor drei
Jahren mit „Double Trouble“ (Anm.: ehemalige Begleitband von Stevie
Ray Vaughn) auf Italientournee gehen. Als die Band ausfiel, fragte er die
Ten Years After Backing Band. Italien hat schönes Wetter und gutes Essen,
klar, dass wir mit ihm getourt sind. Die Leute haben aber immer wieder
nach Ten Years After Songs gefragt. Deshalb entschieden wir uns, einen
neuen Gitarristen zu suchen, da Alvin Lee nicht mehr zur Verfügung stand.
Wir probierten mehrere aus. Mein Sohn Tom kannte Joe. Deshalb ließ ich
mir eine Cassette geben, die ich an Ric (Lee, Drummer TYA) schickte. Wir
spielten zusammen und es war perfekt! Und wir sind sehr glücklich ihn
gefunden zu haben.
ACB: Ihr seid in der aktuellen
Besetzung fast permanent auf Tour, die Nachfrage nach Ten Years After ist
riesig. Wieviele Gigs sind es denn im Jahr?
LEO LYONS: Ich bin mir nicht
sicher, aber letztes Jahr waren es um die 150 und auch in diesem Jahr
werden es über 100…
ACB: …das scheint ja mehr zu
sein, als ihr jemals zuvor gespielt habt…
LEO LYONS: …nun, als wir die
ganzen Wiedervereinigungen hatten, wollte Alvin nicht wirklich oft spielen
und es waren entsprechend wenige Konzerte in dieser Zeit. Jetzt ist es großartig.
Ich liebe es zu schreiben, zu produzieren, aber meine erste Liebe ist das
Livespielen!
ACB: Du hast vor Jahren mit
der Band The Kick gearbeitet und zwei CDs veröffentlicht. Vor allem die
erste, „Heartland“, gefällt mir sehr gut. Auch die Konzerte in
Parsberg und Regensburg waren super. Warum wurde nicht mehr aus der Band?
LEO LYONS: Nach dem Split
von Ten Years After wollte ich natürlich wieder arbeiten und die Leute
meinten: Du brauchst dazu auch ein Album. Deshalb nahmen wir „Heartland“
auf. Und wir gingen auf Tour. Die Reaktionen der Presse und des Publikums
waren super. Aber es war definitiv die falsche Zeit für eine Rockband und
was willst Du machen, der Massengeschmack duldete einfach keine Rockmusik
damals. Die Radios, die Presse, das Fernsehen, alle waren gegen solche
Musik, da hast du keine Chance. Ich mochte aber die Arbeit mit „The
Kick“ und habe immer noch Kontakt zu den Musikern
ACB: In Nashville arbeitest Du als
Producer und Songwriter, hattest The Kick. Welche Projekte hast Du in den
Ten-Years-After-losen Zeiten noch verfolgt?
LEO LYONS: Ich habe immer auch
im Studio gearbeitet, als Ingenieur, als Begleitmusiker und ich war auch
auf Tour, z. B. in den USA mit dem Bluesgitarristen Scott Holt. Ich habe
immer etwas gemacht, das mit Musik zu tun hat.
ACB: Stell Dir vor es ist 1969, ein
Tag nach Woodstock und jemand sagt zu Dir, dass Du im Jahr 2005 immer noch
mit Ten Years After arbeitest. Was denkst Du, hättest Du ihm damals
geantwortet?
LEO LYONS: Ich hätte ihm sicher
nicht geglaubt! Weißt Du, als TYA im Jahr 1975 auseinander gingen, dachte
ich, ich sei zu alt für die Rockmusik, zu alt für das Touren. Damals war
ich 27 (lacht)! Ich wäre mir damals nicht sicher gewesen, ob ich heute überhaupt
noch lebe. Wir hatten Glück, Teil dieser Zeit zu sein. Woodstock war
nicht nur das Festival. Es war die Zeit, die Mode, der Vietnamkrieg…so
viel Sachen. Und ich bin froh, in dieser Zeit gelebt zu haben. Viele junge
Leute sind gerade an dieser Zeit sehr interessiert.
ACB: Gab es in Deiner Karriere
Momente, in denen Du aufgeben und gar nichts mehr mit Musik zu tun haben
wolltest?
LEO LYONS: Nein, niemals. Klar
nahm ich mir Freizeit, als meine Kinder geboren wurden. Damals machte ich
keine Tourneen. Aber ich hatte damals in England mein eigenes Studio wo
ich arbeiten konnte, so hatte ich immer mit Musik zu tun.
ACB: In der aktuellen Besetzung
habt Ihr eine Studio- und eine Live-CD eingespielt. Was kommt als nächstes?
LEO LYONS: Wir werden auf der
aktuellen Tour einige Konzerte für eine DVD mitschneiden. Die Fans fragen
immer wieder danach. Natürlich werden wir auch Shows auf der kommenden
Tour in Deutschland aufnehmen, aber frage mich nicht, welche das sein
werden. Geplant ist jedenfalls, die Scheibe dann Anfang 2006 zu veröffentlichen.
ACB: Danke für das Gespräch…
LEO LYONS: …ich sage danke.
Weißt Du, ich bin heute seit 4 Uhr morgens wach (Anm.: das Telefonat fand
um 7 Uhr Nashvillezeit statt). Wir hatten eine Tornadowarnung…ihr in
Regensburg habt dafür ab und zu Hochwasser…ich weiß das, denn ich habe
einige Zeit dort verbracht!
Weitere Infos gibt es unter www.tenyearsafternow.com.
Die Band spielt am 14. Dezember in der Alten Mälzerei in Regensburg.
Neben den alten Krachern gibt es auch Songs der in der neuen Besetzung
aufgenommenen Studio-CD „Now“. Auch für Skeptiker unbedingt
empfehlenswert!
Leo Lyons und Joe Gooch in
Action. Foto: Alois C. Braun
Leo Lyons und der Autor beim
Woodstock-Revival-Festival
in Schwandorf.
Foto: Jocelyne Ferreyros
Alois
C. Braun's Website: http://www.alois-c-braun.de/
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