Home of Rock: Leo, meinen Glückwunsch zum neuen
TEN YEARS AFTER-Album, es rockt!
Leo Lyons: Vielen Dank, es freut mich zu hören, dass
es Dir gefällt.
HoR: Ihr Typen klingt sehr enthusiastisch und Ihr habt
das beste TYA-Album in über 30 Jahren gemacht. Wie kam es dazu?
Ich meine, das kann ja nicht nur an Joe Gooch (dem neuen Sänger
und Gitarristen der Band) liegen.
L.L.: Bei diesem Album gab es keine Hindernisse oder
Ego-Probleme. Wir sind angetreten um das beste Album zu machen
das wir konnten. Jeder von uns hat gewisse Fähigkeiten und die
nutzten wir.
HoR: Hast Du nicht ein bisschen Angst, dass Joe, schon
bedingt durch seine "jugendliches Alter", TYA nur als
Sprungbrett für eine mögliche Solokarriere benutzen könnte?
L.L.: Ich glaube unserer früherer
Gitarrist hat das gemacht, damals, 1974.
Es gibt keinen Grund Angst zu haben. Diese Situation ist ganz
normal, aber die Presse scheint das immer aufbauschen zu wollen.
Joe ist viel jünger als der Rest von uns und hat noch viele
Jahre des Spielens vor sich. Ich erwarte von ihm eine lange und
erfolgreiche Karriere mit, und nach Ten Years After.
Natürlich würde ich ihn gerne noch ein paar weitere Jahre bei
uns haben.
HoR: Du hast das neue Album produziert. Es heißt, das
meiste wäre live eingespielt worden, alle zusammen in einem
Raum. In wie weit stimmt das und sind irgendwelche "first
takes" mit drauf?
L.L.: Es könnte ein paar first takes gegeben haben,
aber ich ermuntere die Band immer es zu versuchen diese zu
toppen. Wir wollten die Energie einfangen wenn eine Band
zusammen spielt, also spielten wir alle Songs live. Ein paar
Sachen mussten aber natürlich nachträglich aufgenommen werden.
Ein paar Songs wurden komplett ausrangiert und ein paar nochmal
aufgenommen.
HoR: Chick Churchill (Keyboarder von TYA) hat
irgendwo gesagt, dass Du niemals mit einer Produktion zufrieden
bist und wahrscheinlich immer noch irgendwo am neu-mixen der
Songs bist. Stimmt das und wenn ja, warum ist das so?
L.L.: Bei jedem Projekt an dem ich gearbeitet habe,
gab es Dinge von denen ich denke, sie könnten besser sein, aber
zeitliche Begrenzungen durch Termine und Budgets diktieren
schließlich immer wann man aufhören muss. Keines der Alben an
denen ich beteiligt war höre ich mir an wenn es erst einmal veröffentlicht
ist; also, jedenfalls nicht bevor einige Jahre vorbei sind.
Jetzt denken wir schon an das nächste Album, auf dem wir die
Dinge umsetzen wollen, die wir bei diesem gelernt haben.
HoR: In Time To Kill spielst Du ein kurzes
Bass-Solo mit einem eigenartigen Sound. Wie hast Du das gemacht?
L.L.: Ich hab meinen Bass durch einen Effekt in meinem
Line Six Pod gespielt. Ich bin mir heute nicht mehr so sicher ob
mir das noch gefällt, aber es ist zu spät um es zu ändern.
HoR: Wer ruft dieses "one, two, three!" zum
Ende von Reasons Why? War das geplant?
L.L.: Das ist Ric (Lee, Schlagzeuger) der uns
noch mal einzählt. Er macht das auf der Bühne auch. Er mag
das.
HoR: Wenn man sich die Songschreiber auf "Now"
ansieht, fällt auf, dass Du bei fast jedem Song genannt bist.
Ist es einfacher für Dich, heutzutage für TYA zu schreiben als
zu den Zeiten mit Alvin Lee? Oder ist es mehr oder weniger
genauso?
L.L.: Es ist so viel einfacher jetzt. Alvin sträubte
sich die Songschreiberverdienste mit irgendjemand zu teilen, und
entgegen der Tatsache, dass wir alle zusammen musikalische Ideen
im Studio ausgearbeitet haben sieht man sehr selten andere
Autoren berücksichtigt.
Das wurde mit der Zeit sehr frustrierend für Ric, Chick und
mich.
Ich erinnere mich, als wir an "Positive Vibrations"
gearbeitet haben, fragte mich Alvin, warum ich nicht mehr Riffs
beisteuerte, so wie er es von mir gewohnt war. Ich sagte ihm,
weil ich nie irgendwelche Credits bekomme. Seine Antwort war:
"Was ist ein Riff wert? Fünfzig Dollar?"
Auf der "Now"-CD bekommt jeder seine Verdienste
angerechnet.
HoR: Du hast ja schon eine Menge an Produktionen für
andere Musiker gemacht. Unterschiedliche Künstler wie UFO,
Frankie
Miller, MOTÖRHEAD
und viele andere. Was würdest Du sagen, war die schwierigste
und welches die erfreulichste Produktion?
L.L.: Nun, jede Produzentenarbeit kann hin und wieder
problematisch sein und es hilft sehr, wenn du mit Leuten
zusammen arbeitest, die du magst.
Es kann schwierig werden aber es ist ein magischer Moment, wenn
alles zusammen kommt und die Band, oder der Künstler liefert
die definitive Performance. In einem solchen Moment im
Kontrollraum zu sitzen ist ein unbeschreibliches Gefühl.
Ich kann mich nicht an ein "schwierigstes Album"
erinnern, aber wahrscheinlich war das TYA-Album "Positive
Vibrations" das unglücklichste für mich. Wir nahmen in
Alvin's "Hook End" Studio auf. Die Band stand schon am
Rande des Zusammenbruchs und ich konnte es jeden Tag kaum
erwarten heimzugehen.
Den wahrscheinlich größten Spaß hatte ich mit meiner eigenen
CD mit meiner Band KICK. Mein Schreibpartner Tony Crooks und ich
haben die Produktion gerade so gemacht wie wir wollten. Es war
nicht die kommerziell erfolgreichste Platte, aber ich bin immer
noch angetan von ihrer Entstehung.
Mit UFO war es unterhaltsam zu arbeiten. Ich habe drei oder vier
Platten mit ihnen produziert. Das war schon lustig damals mit
ihnen. Die Plattenfirma erwartete nicht, dass die Band
erfolgreich sein würde, so waren wir in der Lage sie zu überraschen.
Ich habe mit MOTÖRHEAD an einem fehlgeschlagenen Albumprojekt
gearbeitet. Das Label ging Pleite während der Aufnahmen und das
Studio behielt die Bänder wegen der Forderungen. Ich glaube der
Label-Manager starb kurz darauf an einer Überdosis. Eine Rock
and Roll Geschichte.
Ich hoffe Lemmy und ich arbeiten eines Tages noch mal zusammen.
Wie wär's denn mit einer CD "Lemmy sings the hits from the
musicals"? Ich hab da ein paar Lieder im Kopf.
Lemmy please call me!
HoR: Du hast ja eine sehr expressive Art wenn Du Bass
spielst. Woher kommt das und wer sind Deine Einflüsse?
L.L.: Meine Einflüsse sind jedes Album das ich mir
anhöre. Es gibt da ein paar wirklich tolle Spieler.
Zuerst hörte ich Fünfziger Jahre Rock'n'Roll, ging durch eine
Jazz-Periode, eine Heavy Rock-Periode und zur Zeit bin ich
wieder beim Country gelandet.
Ich bin kein technischer Spieler und obwohl ich immer noch übe,
glaube ich daran, dass Musik aus der Luft um uns kommt und durch
unsere Herzen kanalisiert wird.
Ich höre mir einen Song an und versuche auszudrücken was ich fühle.
Ich denke, meine Art zu spielen hat sich im Laufe der Zeit
entwickelt und ich hoffe ich kann es solange verbessern bis ich
sterbe.
HoR: Bist Du heutzutage mit Deinem Sound zufriedener,
verglichen mit den alten Zeiten? Oder ist es einfach nur anders?
L.L.: Ich hoffe natürlich, dass mein Bühnensound
heute besser ist. Es gab eine Menge Verbesserungen bezüglich
Verstärkern und PA-Equipment. Im Studio, denke ich auch, dass
mein Sound besser ist, aber wenn ich manche der alten TYA Alben
anhöre denke ich, meine alte Fender Bass/Marshall Verstärker
Kombination hat schon einen Standart gesetzt.
Heute ist mein Sound natürlich sauberer und verfeinerter, aber
das ist nicht immer das worum es geht.
HoR: Woodstock war natürlich ein Meilenstein in der
Geschichte von TYA. Ich nehme an, ihr habt da mehr Lieder
gespielt als nur I'm Going Home. Warum wurde nie was von
den anderen Sachen veröffentlicht?
L.L.: I'm Going Home war eine Zugabe. Wir haben
wahrscheinlich einen Set zwischen 45 und 60 Minuten gespielt.
Ich hab über Konflikte gehört bezüglich der damaligen
Aufnahmen aber ich weiß nichts über die Bänder.
Wenn es von TYA weitere Aufnahmen gäbe, erwartete ich, dass sie
schon jemand veröffentlicht hätte.
HoR: Sogar heute noch finden Festivals unter diesem
Namen, oder "Woodstock-Revivals" statt. Was sind Deine
Gedanken zu diesen und zum originalen Festival?
L.L.: Das Original und der folgende Film fingen das Gefühl
jener Ära ein. Junge Menschen hatten ihre eigene Musik, Kultur,
Sprache, Ideale und Mode. Du warst entweder Teil davon oder
dagegen.
Entgegen der Tatsache, dass sich die Vereinigten Staaten und
andere Länder in einem unpopulären Krieg befanden, waren junge
Menschen optimistisch, die Welt in eine bessere verändern zu können.
Es war auch die Zeit der freien Liebe ohne Angst vor Aids.
Ich liebe es immer noch auf Festivals zu spielen und mit anderen
Bands zusammen aufzutreten. Ich kann schon verstehen, warum
viele Leute hoffen sie könnten ein weiteres Woodstock
miterleben.
Da die Dinge sich in Kreisen bewegen, vielleicht, ja vielleicht
wird ein klein wenig von den damaligen Zeiten wiederkehren. Ich
bin optimistisch.
HoR: Wenn die Gelegenheit gegeben wäre und die Gage wäre
in Ordnung, würdest Du ein Konzert mit Alvin Lee spielen? Unter
dem Namen TEN YEARS AFTER?
L.L.: Bei Musik geht es nicht darum wie viel Geld man
verdienen kann. Nein, ich würde es nicht tun.
HoR: Hattet ihr irgendwelche Probleme, den Ten Years
After Markennamen ohne Alvin Lee zu benutzen?
L.L.: Nein, warum auch. Alvin Lee ist Alvin Lee und
wir sind Ten Years After.
Wir machen es klar, dass Alvin nicht mehr mit uns zusammen ist
und vertrauen darauf, dass er das genauso macht.
HoR: Der Schriftzug den ihr heutzutage benutzt ist
ziemlich der selbe wie der in euren ganz frühen Tagen. Sind da
irgendwelche Referenzen an einen neuen Start?
L.L.: Ja. Es ist ein Neubeginn für uns. Ich glaube
Ten Years After hat den Enthusiasmus und die Energie
wiedergefunden die es in den Sechzigern hatte.
Wir mussten uns selbst neu bewähren und in gewisser Weise ist
das der aufregendste Teil. Dank der neuen und alten Fans haben
wir die Möglichkeit, raus zu gehen und unsere Musik zu spielen,
aber wir sind keine Revival-Band die ihrem früheren Erfolg
Tribut zollt.
Wir werden fortfahren unsere Musik weiter zu entwickeln mit
jedem Album das wir machen.
HoR: Danke für das Interview, Leo, und ich hoffe euch
bald wieder in Deutschland auf der Bühne zu sehen.
L.L.: Ich danke Dir, Epi. Vielen Dank auch an all die
Fans die uns so viele Jahre unterstützt haben.
Epi Schmidt, 12.08.2004
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