Ein
perfekter Abend auch ohne Alvin Lee
Woodstock-Legende
Ten Years After begeistert 400 Zuhörer im Vechtaer
Gulfhaus / Handgemachter Bluesrock
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Den Blues im Blut: Bassist und Gründungsmitglied
Leo Lyons und der neue Gitarrist und Sänger von
Ten Years After, Joe Gooch, begeisterten das
Publikum im Gulfhaus. Foto: Suffner
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Von Ulrich Suffner, Vechta
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Ten Years After ohne Alvin Lee?
Ist das nicht so etwas wie die Stones ohne Mick Jagger?
400 Rockfans stellen sich diese Frage, als sie am
Freitagabend zu den Klängen der sehr ordentlichen
Vechtaer Vorband „Young & Grey“ das Gulfhaus
betreten. Die Zweifel der Fans verfliegen schon nach den
ersten Gitarrenriffs. Joe Gooch, der erst 29-jährige
neue Bandleader ist weit mehr als ein Ersatz für
Woodstock-Legende Lee. Ten Years After, Kultband der frühen
70er, ist auch im Jahr 2007 jeden Cent Eintritt wert.
Gooch drückt der vor 40 Jahren gegründeten
Bluesrockband einen modernen Stempel auf. Das merken
auch die in Würde ergrauten Rockveteranen im Publikum,
die vor dem unverhofften Woodstock-Revival im heimischen
Jugendzentrum noch schnell einmal die alten
Schallplatten durchgehört haben. Goochs Finger sind
vielleicht nicht ganz so flink wie die des
„schnellsten Rockgitarristen aller Zeiten“, aber die
Soli des Londoners sind wunderbar flüssig, seine
Instrumental-Duelle mit Organist Chick Churchill oder
Bassist Leo Lyons sind mehr als aufregend und seine
Stimme ist, wenn auch weicher als jene von Lee, ganz
sicher nicht weniger leidenschaftlich. Vor der Bühne
wird vom ersten bis zum letzten Song durchgezappelt und
so mancher Altrocker auf der Galerie des Gulfhauses hat
Pipi in den Augen.
Knapp zwei Stunden wird handgemachter Bluesrock
zelebriert, ohne technischen Schnickschnack, so dass
einem die berühmte Feststellung von
Jethro-Tull-Frontman Ian Anderson wieder in den Sinn
kommt: Rockmusik sei im Grunde genommen nichts anderes
als elektrisch verstärkte Energie. Die TYA-Gründungsmitglieder
Ric Lee, Chick Churchill und der stets freundlich
grinsende Leo Lyons sehen das genauso. Lee bearbeitet
sein Schlagzeug wie am jüngsten Tag, insbesondere bei
einem fulminaten Solo. Gemeinsam mit Bassist Lyons
zimmert er ein unumstößliches Fundament für Goochs
nicht nur technisch atemberaubende Soli. Etwas abseits
bearbeitet Chick Churchill seine Orgel, wie es ein
Rocker tun sollte, rhythmisch, hart, vorantreibend.
Die Engländer spielen die alten Klassiker mit
jugendlicher Frische: „Good morning, little school
girl“, „I'd love to change the world“ oder „Love
like a man“. Aber auch die neuen Songs des
Comeback-Albums „Now“ aus 2004 bejubelt das
Publikum. Diese Wiederbelebung ist gelungen. Bleibt noch
das unvermeidliche Finale. „Goin’ Home“, der größte
Hit der Band, der auf dem Woodstock-Film verewigt den
Ruhm von Ten Years After begründete. Rasant und souverän
wechselt der klassische Bluesrock-Vierer für die
letzten Minuten auf die Überholspur, gefolgt vom
berauschten Publikum.
Alvin Lee soll sich derzeit an spanischen Stränden mit
Fusion-Projekten und afrikanischen Trommlern die Zeit
vertreiben. Dort soll er bleiben. TYA aber sollen
wiederkommen. Vielleicht schauen auch andere Legenden
mal auf der Zitadelle vorbei. Die 400 Leute von Freitag
wären erneut dabei, wenn das Gulfhaus rockt wie in
besten Zeiten.
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